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Feierliche Kranzniederlegung
Die Belziger haben nicht vergessen
Belzig, 8. Mai 1967, 8.45 Uhr Auf dem Marktplatz versammeln sich mehrere Hundert Bürger, Delegationen aus Betrieben und Institutionen. Die Häuser sind mit Fahnen geschmückt. Die Menschen tragen Kränze und Blumengebinde und Fahnen, viele Fahnen. Unter den Klängen eines Fanfarenzuges aus Wolfen und der Belziger Schalmeienkapelle setzt sich der lange Zug in Bewegung. Wenig später stehen wir am Mahnmal des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers Roederhof des KZ Ravensbrück. Frauen aus Frankreich, Belgien und der ČSSR, ehemalige Häftlinge, sind aus ihren Heimatländern gekommen, um der Gedenkfeier beizuwohnen, die denen gewidmet ist, die in dem ehemaligen Zwangsarbeiterlager ihr Leben ließen.
Zum 22. Mal begehen auch die Belziger den Tag der Befreiung vom Faschismus. „Ist alles schon vergessen?“ fragt eine FDJlerin nach den Strophen von Walter Dehmel. Ernst und nachdenklich sind die Gesichter der Teilnehmer der Gedenkfeier. Als Bürgermeister Gerhard Dorbritz von den Grausamkeiten der SS-Leute spricht, als er den Todesmarsch der ehemaligen Lagerinsassen nach Altengrabow schildert. Am 24. April war es, als sich die Tore des damaligen Zwangsarbeiterlagers Roederhof öffneten. Halbverhungerte, ausgemergelte Frauen traten einen zweitägigen Marsch an. Viele brachen vor Erschöpfung zusammen, wurden kaltblütig von der SS-Bewachung erschossen und säumten die Straßenränder als stumme Zeugen einer Zeit tiefster Barbarei. Nein, wir haben nie vergessen,denken viele angesichts der weinenden Frauen, die das Schreckliche in Belzig überlebten und Zeuge sind, wie das Gute immer stärker wird.
Genosse Walter Haberland, Vorsitzender des Kreises und Mitglied des Sekretariats der SED-Kreisleitung, ergreift das Wort: „Sie, liebe Freundinnen aus Belgien, Frankreich und der ČSSR, können, wenn sie in ihre Heimat zurückkommen, berichten, daß mit der Gründung der DDR erstmalig auf deutschem Boden ein Staat entstanden ist, in dem die Nazi- und Kriegsverbrecher und ihre Hintermänner bestraft wurden, die politisch-ökonomischen Wurzeln des Krieges durch die Enteignung und Entmachtung der Junker und Monopole für immer ausgerottet wurden.“
Er erinnert daran, daß Tausende sowjetische Soldaten ihr Leben ließen, um Deutschland vom Faschismus zu befreien. Auch dieser toten Helden gedenken wir jedes Jahr am 8. Mai. Das vergessen wir nie, und darum verbindet uns eine unverbrüchliche Freundschaft zur Sowjetnion, die in diesem Jahr den 50. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution begeht.
Während eine der französischen Widerstandskämperinnen spricht, ihrer Kameradinnen gedenkt, wird nicht nur das grausame Erleben im Außenlager des KZ Ravensbrück wach, sondern das, was sich gegenwärtig in Vietnam abspielt, Bomben auf wehrlose Frauen und Kinder, bestialischer Mord, so zeigt sich heute der amerikanische Imperialismus. Die Gedanken der Teilnehmer der Gedenkfeier schweifen nach Westdeutschland, wo der Neofaschismus aufblüht, wo Friedhöfe der Juden geschändet werden, wo SS-Treffen stattfinden. Das ist das Deutschland, mit dem uns, die wir in der sozialistischen DDR leben, nichts vereint.
Die französische Sprecherin bittet um eine Gedenkminute für die toten Kameradinnen. Eine feierliche Stille liegt über dem Platz, auf dem früher oft die Schreie der gequälten Häftlinge ertönten. Tust du selbst genug, daß der Frieden erhalten bleibt, daß nie wieder die Nacht des Faschismus über Deutschland hereinbricht?, fragen sich viele, während sich die Frauen, die das Lager überlebten, weinend in die Arme fallen und trotz der Tränen in den Augen glücklich sind zu leben und zu sehen, wie am Ort des ehemaligen Schreckens Deutsche, die nichts mit den SS-Henkern gemeinsam haben, Kränze und Blumen niederlegen. Unsterbliche Opfer, ihr sanket dahin, intoniert die Schalmeienkapelle. Eine würdige Gedenkfeier geht zu Ende. Ernst schauen die Menschen drein, aber im Herzen sind sie optimistisch; denn die Zukunft ist eine glückliche, und sie sind des Glückes Schmiede.
Quelle: Kreisarchiv Potsdam-Mittelmark, Zeitungsarchiv, Märkische Volksstimme vom 10.5.1967